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Dienstag, 24. November 2015

Facebook Freebooting

In der letzten Vorlesung hat uns Herr Bucher kurz die Geschichte eines Bekannten von ihm erzählt, der Opfer von Content-Diebstahl auf Facebook wurde. Dieser hat vor kurzem ein Bild, das er selber erstellt hatte auf seinem Facebook-Profil hochgeladen. Nach ein paar Tagen stiess der ursprüngliche Ersteller des Bildes auf einer Anonymous-Fanpage auf seinen eigenen Content. Die Seite hat grosse Reichweite und das Bild generierte viel mehr Klicks als das Original auf dem Profil des eigentlichen Schöpfers. Dies ist bei weitem keine einzigartige Geschichte, das Thema hat insbesondere im Kontext von Videos in den letzten Wochen hohe Wellen im Netz geschlagen. Daher möchten wir das Thema an dieser Stelle mal etwas genauer anschauen.

Das Phänomen, dass es auf Facebook von Fake Fanpages, die gestohlene Inhalte hochladen wimmelt, ist an sich nichts Neues. Ganze Seiten leben ausschliesslich davon, fremde Inhalte zu publizieren und die Klicks und Reichweite zu sammeln. Das Phänomen wird auch als „freebooting“ bezeichnet. Dass damit dem eigentlichen Schöpfer oder rechtmässigen Besitzers des geistigen Eigentums Klicks und somit am Ende Geld verloren geht, ist vielen wahrscheinlich gar nicht so bewusst. Vor kurzem hat der Youtube-Channel „In a Nutshell – Kurzgesagt“ am 10. November ein Video publiziert, wo genau dieses Phänomen aus Sicht der Content Creators erklärt wird. „In a Nutshell“ ist ein Kanal, der interessante Themen auf einfache und verständliche Art erklärt und selber immer wieder Opfer von Freebooting wird.



Anlass, das Video zu veröffentlichen war, dass Facebook vor kurzem stolz verkündete, dass mittlerweile 8 Milliarden Videos pro Tag auf Facebook angesehen werden. Angeblich ist Facebook dabei, Youtube zu überholen. Bei genauerem Hinsehen kommen allerdings ein paar unschöne Details ans Licht. Gemäss „In a Nutshell“ waren von den 1000 meistgesehenen Facebook-Videos des ersten Quartals 2015 ganze 725 gestohlen, wurden also ohne Einverständnis des Besitzers auf einer fremden Seite gepostet. Allein diese Videos brachten es im ersten Quartal auf 17 Milliarden Klicks.

Sogenannte Content-Aggregators, Seiten, die Videos und Inhalte aus verschiedenen Quellen sammeln und auf ihrer eigenen Page neu hochladen, hatten auf Facebook schon immer grossen Erfolg. Das haben natürlich mittlerweile auch diverse aufmerksamkeitsbedürftige C-Promis festgestellt und machen sich diese Masche zu Nutze. Die „Berühmtheiten“ können so ihre Reichweite massiv erweitern wenn ihnen nicht nur bisherige Sympathisanten folgen, sondern zusätzlich noch solche, die den von ihnen geposteten Content gut finden. Facebook unterstützt diese Tendenz zusätzlich. Videos, die auf Facebook direkt hochgeladen werden werden von den Algorithmen bevorzugt und häufiger gezeigt, als eingebettete Videos von Youtube oder Vimeo. Dies ist natürlich durch die wirtschaftlichen Interessen von Facebook zu begründen, je länger der Besucher auf der Seite bleibt, desto mehr Geld kann mit ihm durch Werbung verdient werden.

Aber das ist noch immer nicht alles. Facebook macht noch mehr, um die Werbeeinnahmen in diesem Bereich zu optimieren. Ein Video wird bereits nach 3 Sekunden als gesehen gezählt, selbst wenn es stummgeschaltet ist. Das Autoplay-Feature, das vor einiger Zeit lanciert wurde verfolgt den Zweck, auf diese Weise Views zu maximieren. Beim durchscrollen der Timeline starten immer wieder Videos und wenn man kurz stehen bleibt hat man sofort ein Video „angeschaut“.

Facebook duldet also das systematische Stehlen von Content nicht nur, sondern fördert es aus eigenen finanziellen Interessen. Im Unterschied zu Youtube ist es bei Facebook deutlich schwieriger, eigene Inhalte auf fremden Seiten zu finden, die Suchfunktion ist dafür nur bedingt geeignet. So ist es meist eher zufällig, wenn ein Urheber irgendwo auf sein gestohlenes Video stösst. Mit dem Finden allein ist das Problem dann aber noch bei weitem nicht behoben. Will er seine Rechte einfordern und die gestohlenen Inhalte löschen lassen, muss er ein mühsames, intransparentes Verfahren durchlaufen. Facebook braucht normalerweise mehrere Tage, um gemeldete Videos zu löschen. In dieser Zeit kann der Freebooter weiterhin Klicks sammeln. Nach ein paar Tagen flachen die Zahlen tendenziell sowieso ab. Bis das Video gelöscht wurde, ist es unter Umständen schon gar nicht mehr aktuell oder relevant. Ausserdem werden die Urheberrechtsverletzungen in keiner Weise geahndet, das Video wird gelöscht, ansonsten gibt es keine Konsequenzen für den Dieb.

Weshalb ist das Ganze so schlimm? Am Ende geht es ganz einfach ums Geld. Viele Youtuber und andere Kreative im Internet können heute ihre Arbeit durch Werbeeinnahmen finanzieren und davon leben. Klicks und Aufmerksamkeit im Internet sind ein knappes Gut, um das ein Verteilkampf wütet, jeder Klick bringt Geld, jeder Klick muss aber auch hart erkämpft werden. Das wichtigste Argument in diesem Kampf ist der Inhalt. Guter Content verdient grosse Reichweite. Wegen Freebootern fliessen die Einnahmen nicht mehr dahin, wo sie eigentlich hingehören. Statt dass derjenige, der geistiges Eigentum geschaffen hat, dafür entlöhnt wird, kassiert irgend ein Facebook Seitenbetreiber Geld, ohne wirklich etwas geleistet zu haben. Er schmückt sich mit fremden Federn und wird für sein schönes Federkleid bezahlt.


Das schlimmste an der ganzen Geschichte ist aber, dass Facebook all diese Ungerechtigkeiten nicht nur toleriert, sondern selbst daran mitverdient. Auch Youtube war einst voller gestohlener Videos, das Problem wurde aber wie Hank Green in seinem Artikel über Freebooting beschreibt vor vielen Jahren entdeckt und Youtube hat viel gemacht, um dagegen vorzugehen. Green ist selbst seit vielen Jahren ein sehr erfolgreicher Youtuber und hat diese Entwicklungen miterlebt. Ein System namens Content ID analysiert automatisch jedes Video und kann einen sehr grossen Teil der Urheberrechtsverletzungen direkt entdecken. Zudem werden Beschwerden von Urhebern deutlich ernster genommen und schneller abgewickelt. Facebook wäre problemlos in der Lage, eine ähnliche Software zu entwickeln, allerdings verdient der Konzern lieber weiterhin auf dem Buckel des "kleinen Youtubers" kräftig mit.

Also passt auf, wo eure sorgfältig erarbeitete Inhalte landen!

Bis bald, 
Manu & Beni

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